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Gesellschaft

Schafft die Pharmaindustrie sich selbst neue Patienten?

Die Sätze: „Ihre Blutwerte liegen leider nicht im Referenzbereich. Dagegen müssen wir etwas unternehmen!“, hört man in deutschen Arztpraxen (und weltweit) häufig.

Dieses „etwas unternehmen“ sieht dann in den meisten Fällen so aus, dass man ein Rezept für irgendwelche Pillen, Tropfen, oder sonstige Medikamente in die Hand gedrückt bekommt.

Selten wird versucht, die Ursache des Problems zu beheben, sondern man „doktert“ an den Symptomen herum. Das macht den Patienten nicht gesund, aber hält ihn weitestgehend symptomfrei. Nebenher spült es der Pharmaindustrie jedes Jahr etliche Milliarden in die Taschen, da mittlerweile (Stand 2020) bereits die Hälfte der Deutschen chronisch krank ist.

Aber:

  • Aufgrund welcher Datengrundlagen werden Referenzbereiche festgelegt?
  • Wer legt Normwerte fest?
  • Sind Referenzbereiche immer und überall gleich?
  • Wandeln sich Normwerte im Laufe der Zeit?

Auf der Seite Netdoktor.de wird erklärt, wie der Referenzbereich festgelegt wird:

„Man ermittelt diesen Bereich für einen bestimmten Laborwert, indem man den Wert bei sehr vielen gesunden Menschen misst. Der Bereich, in dem dann 95 Prozent der Werte liegen, ist der Referenzbereich.“

Die 5 Prozent, die außerhalb dieses Bereiches liegen sind folglich diejenigen, die wir als „krank“ bezeichnen.

Was sich hier sinnvoll und logisch anhört, wird allerdings auch gleich von einem Arzt in einem Youtube-Video relativiert. Er sagt, dass eher selten gesunde Menschen ihr Blut untersuchen lassen, da sie einfach keinen Anlass dazu haben. Die eingesendeten Blutproben seien meistens von älteren und daher oft kranken Menschen. Somit beruhen die Referenzbereiche, die in den Laboren erfasst werden, auf den Daten von Kranken. Dies alleine ist schon unglücklich, aber da die Menschen im Laufe der Jahrzehnte immer mehr Krankheiten entwickeln, verschlechtern sich die eingesendeten Werte weiterhin und somit ändern sich die Referenzbereiche noch weiter.

Ein solcher Referenzbereich ist folglich nicht mehr aussagekräftig und gesunde Menschen haben keinen Nutzen davon, wenn sie ihre Werte mit den Referenzbereichen der Kranken verlgeichen.

Stellt sich nun noch die Frage, wer die Normwerte festlegt. Die Werte also, die ein Mensch vorweisen sollte, um als gesund zu gelten. Hierzu ein Zitat eines Videos des MDR:

„Medizinische Fachgesellschaften, die besetzt sind mit Forschern und Ärzten, die bei der Zulassung von Arzneien eng mit der Pharmaindustrie zusammenarbeiten, legen diese Werte fest.“

Des Weiteren führt ein Arzt in diesem Video aus:

„Grenzwerte sind so eng gesteckt wegen des Industrie-Einflusses. Leitlinien, die Ärzten Empfehlungen geben, wurden von Fachleuten verfasst, die Geld von der Pharmaindustrie nehmen.“

Es stellen sich die Fragen: Welche Fachgesellschaften? Und welche Experten? Es bleibt allerdings festzuhalten, dass auf beide offensichtlich Einfluss von der Pharmaindustrie genommen wird.

Versucht man im Internet nun mehr herauszufinden, so stößt man oft nur auf die Aussagen: „Experten haben herausgefunden“, „neueste Studien belegen“, oder „Wissenschaftler haben festgestellt“. Welchen Hintergrund besagte Experten haben, oder wer genau die Studien durchgeführt hat, bleibt auch hier meist im Dunkeln.

Einzig, dass die WHO die Werte dann von den „Fachleuten“ übernimmt, lässt sich der Aussage der Gesundheitswissenschaftlerin Ingrid Mühlhauser entnehmen.

Wenn man also nichts über die Experten herausfinden kann, kann man immerhin etwas über die Normwerte recherchieren.

So ist eindeutig, dass sich diverse Normwerte über die letzten Jahrzente verändert haben. Und zwar nach unten.

Galten beim Blutdruck früher noch Blutdruckwerte von 160/100 mmHG als „gesund“, so wurdendie Werte mittlerweile auf 140/90 mmHG gesenkt. Beim Cholesterin sind die Werte von 240 mg/dl auf 200 mg/dl gesenkt worden und die Blutzuckerwerten von 140 mg/dl auf 126 mg/dl.

Entstünden diese Wertsenkungen aus der tatsächlichen Erkenntnis, dass sie eine Relevanz für unsere Gesundheit darstellen, so hätte sicher niemand Einwände. Doch es steht zu befürchten, dass hinter den Senkungen nur die Profitinteressen der Pharmaindustrie stehen.

Auf der Internetseite von Dr. Alois Dengg aus Österreich, findet man einen Auszug des Buches „Schlechte Medizin – Ein Wutbuch“ des Arztes und Buchautors Gunter Frank.

In einer Tabelle wird dargelegt, wie die Absenkung diverser Werte alleine in Amerika für einen riesigen Zuwachs von Patienten gesorgt hat. Bei Osteoporose- und Cholesterin-Werten hat die Absenkung sogar zu einer prozentualen Zunahme von über 80% geführt. So stieg die Zahl der Cholesterin-Patienten von knapp 50 Mio. auf ca. 92 Mio. Bei Osteoporose stieg die Zahl der Behandlungsbedürftigen von ca. 8 Mio. auf knapp 15 Mio.

Da nicht nur davon auszugehen ist, dass dies allein in Amerika der Fall ist, darf man ähnliche Werte für Europa annehmen.

„Was soll’s“ könnte man sagen, „lieber zu früh behandlen, als zu spät“. Aber ist dem wirklich so? Was ist mit den Nebenwirkungen von verschriebenen Medikamenten? Menschen, die krank sind, nehmen Nebenwirkungen in Kauf, wenn sie weniger schlimm sind als die Krankheitssymptome. Aber eigentlich gesunde Menschen sind genauso von Nebenwirkungen betroffen, wenn sie die Medikamente nehmen.

Wie viele Menschen leiden auf diese Art unter Nebenwirkungen und wie viele werden durch die Behandlung tatsächlich geheilt? Eine jeweils äußert schwer zu bezifferndere Menge.

Dazu ein Diagramm und der Klappentext von Gunter Franks Buch:

„Millionen Menschen in Deutschland werden falsch behandelt. Und zwar systematisch. Besondern auf dem Gebiet der Präventivmedizin und der großen Erkrankungen, von Herz-Kreislauf über Diabetes und sogar bei Krebs, setzen sich immer mehr nutzlose Medikamente und Therapien durch, die durch ihre Nebenwirkungen in erster Linie erheblich schaden.

Der Heidelberger Arzt Gunter Frank zeigt, wie an den verschiedenen Stellen des Medizinbetriebs Gier, Ideologien und Inkompetenz die Regeln guter Medizin verdrängen. Die Rechnung bezahlt der Patient – mit Schmerz, Leid und viel zu oft mit seinem Leben.

Obwohl viele Ärzte und Pflegekräfte ihr Bestes geben, sorgen andererseits perfide Mechanismen unseres Gesundheitssystems dafür, dass sich schlechte Medizin immer häufiger durchsetzt. Statt uns vor Fehldiagnosen, schädlichen Therapien und Medikamenten sowie falscher Vorsorge zu schützen, profitieren die Verantwortlichen an den medizinischen Hochschulen und in der Industrie von den millionenfachen Fehlbehandlungen.“

Belege für diese Tatsachen findet man allerdings nicht nur in Büchern, sondern auch in den Medien. So titelt z.B. der SWR schon 2013 „Blutdruck sinnlos behandelt“, oder der Focus von 2015 „So machen uns neue Grenzwerte plötzlich krank“ und welt.de erklärt Blutdruckwerte schließlich sogar zu einer „Mode“.

Was die Einheitlichkeit der Referenzbereiche angeht, kann man auch hier nicht davon ausgehen, dass erstens alle mit den selben Methoden messen, und zweitens die selben Methoden auch zum gleichen Ergebnis führen.

So schreibt med4you.at:

„Es mag für den naturwissenschaftlich denkenden Leser eigenartig sein, aber es gibt viele Laborparameter, bei denen bei ein und derselben Probe mit verschiedenen Methoden systematisch unterschiedliche Ergebnisse herauskommen können. Auch wenn die Ergebnisse z.B. in µg/l angegeben werden. Natürlich ist das theoretisch unmöglich. 1 Meter bleibt ja auch ein Meter, egal wie man ihn misst. Und misst jemand etwas anderes, misst er einfach falsch.
Bei vielen Laborwerten ist es aber nicht möglich, wirklich exakt und einheitlich mit allen Methoden auf dieselben Ergebnisse zu kommen. Man bemüht sich zwar dies zu tun und internationale Organisationen entwickeln Eich- und Kalibrationsmaterialien genau zu diesem Zweck. Und es gelingt auch für medizinische Zwecke ausreichend gut, aber letztlich bleiben zwischen den Methoden kleine Unterschiede, die dann zu Unterschieden in den Referenzbereichen führen.“

Offensichtlich muss man sich also nicht wundern, wenn man von verschiedenen Laboren verschiedene Ergebnisse bekommt und bei einem evtl. als behandlungsbedürftig gilt und bei dem anderen eben nicht.

In diesem Zusammenhang auch noch interessant sind die Ausführungen der Patientenberatung:

„Das Ergebnis von Laboruntersuchungen kann durch eine Vielzahl von Einflüssen und Fehlern verändert werden. So können zum Beispiel bei der Blutentnahme, aber auch bei der Lagerung und dem Transport der Proben Fehler passieren. Manche Laborwerte verändern sich, wenn die Blutprobe zu lange gelagert oder Licht ausgesetzt wird. Manche Werte verändern sich, wenn das Blut in den Venen zu lange oder zu stark gestaut wurde. Manche Werte müssen zu bestimmten Tageszeiten bestimmt werden. Medikamente, körperliche Anstrengung, Rauchen oder Alkohol, die letzte Mahlzeit, die Tageszeit der Blutentnahme – das alles sind Faktoren, die ebenfalls Einfluss auf Blutwerte haben können.“

Zusammenfassung

Normwerte werden durch die Interessen der Pharmaindustrie gelenkt und orientieren sich nicht unbedingt am Wohlergehen der Patienten
Referenzbereiche werden nicht auf Grundlagen von gesunden Menschen erstellt und haben somit wenig Aussagekraft
Des Weiteren sind Referenzbereiche von Labor zu Labor unterschiedlich. Es kommt auf die richtige Durchführung der Tests an, damit die Werte aussagekräftig sind

Galt früher einmal der hippokratische Leitsatz: „primum non nocere, secundum cavere, tertium sanare” (zu deutsch: „erstens nicht schaden, zweitens vorsichtig sein, drittens heilen“), so scheint der Medizinsektor mittlerweile eine riesige Goldgrube für diverse Firmen zu sein. Man kann nicht mehr davon ausgehen, dass die Gesundheit der Patienten den Medizinern näher ist als ihr Portemonnaie.