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Gesellschaft

Was ist Autorität

Was haben große Persönlichkeiten wie etwa Napoleon, Caesar, Barack Obama, Felix Magath oder Margaret Thatcher gemeinsam?

Davon abgesehen, dass sie von vielen Menschen – je nach persönlicher Vorliebe – gemocht, verehrt, unterstützt oder kritisiert wurden?

Sie strahlten Autorität aus. Egal, ob man sie mochte oder nicht, es gab kein Weg an ihnen vorbei. Man brachte ihnen Respekt entgegen.

Sie hatten ihn sich verdient. Sei es als großer Eroberer, als sportlicher Stratege oder politischer Entscheidungsträger.

Doch was macht Autoritäten aus? Ein ausführlicher Artikel in der Wirtschaftswoche gibt hierzu Hinweise:

„Wer Autorität erringen und bewahren möchte, muss viele, manchmal widersprüchliche Anforderungen erfüllen. Da wären zunächst jene reflexhaften Erwartungen, die evolutionsbiologisch in unserem Erbe stecken: Größe, Körperbau und energisches Auftreten beeindrucken den Homo sapiens heute noch ebenso sehr wie in der Steinzeit. (…) Neben die physische Dominanz treten Fähigkeiten wie soziale Intelligenz und psychologisches Geschick.“

Kurz zusammengefasst, vertrauen wir Autoritäten also, weil sie uns evolutionsbiologisch durch ihr Aussehen überzeuge und zum anderen, weil sie gewisse Eigenschaften an den Tag legen, die signalisieren, dass sie mit Menschen gut umgehen können, bzw. gute Anführer sind.

Doch ist dies in der heutigen Zeit tatsächlich noch so? Sind unsere Autoritäten tatsächlich noch Autoritäten im herkömmlichen Sinn, oder hat sich mit der Zeit etwas verändert?

Auch hier findet man einen Hinweis in oben zitiertem Artikel der Wirtschaftswoche:

„Aber um als kompetent, nervenstark oder kreativ wahrgenommen zu werden, reicht es heute beileibe nicht mehr, dies nur zu sein. Man muss es auch verkörpern. Inhalte machen dabei nur einen Bruchteil der Wirkung aus. „Der große Rest verteilt sich auf Stimme und Körpersprache“, sagt die Hamburgerin Angela Michael, Kommunikationstrainerin für Politiker.“

Unsere Autoritäten werden demnach trainiert um das zu verkörpern, was uns sie als solche akzeptieren lässt. Sind unsere Politiker heutzutage doch gar nicht mehr „vom Fach“ (Der ehemalige Gesundheitsminister Jens Spahn war z.B. Bankkaufmann, die Verteidigungsministerin Christine Lambrecht ist (immerhin promovierte!) Juristin und der Vize-Bundeskanzler Robert Habeck studierte Germanistik), ist ihr Auftreten umso wichtiger. Politiker verfügen sie über einen großen internen Beraterstab, der ihnen in jeglicher Hinsicht zur Seite steht. Aber auch externe Berater gibt es. So hat z.B. unserer Regierung alleine im ersten Halbjahr 2020 186 Millionen Euro für externe Berater ausgegeben – und dies zusätzlich zu den bereits 20.000 Mitarbeitern, die schon regulär beschäftigt werden. Zusätzlich gibt es für Politiker eine große Bandbreite an Coachings, wie sie richtig auftreten müssen. Sogar Stimmtraining gibt es.

Nichts ist verwerflich an einer guten Ausbildung, die das Wissen, das Auftreten und Sprechen von Menschen vervollkommnet. Aber wenn hinter der Fassade des schönen Auftretens weder fachliche Kompetenz, noch soziale Intelligenz oder sonstige vorteilhafte Fähigkeiten stehen, warum vertrauen wir trotzdem ihrer Autorität?

Der Psychoanalytiker Paul Verhaege schreibt zur Autorität folgendes:

„Autorität (…) wird einem Menschen von anderen Menschen zugeschrieben, weil er eine gesellschaftliche Norm verkörpert. Autorität besitzt man niemals als Einzelner, als Individuum. Sie beruht immer auf Moral, ein Zwang gegossen in Normen und Werte.“

Und auch die Wirtschaftswoche lässt Ähnliches verlauten:

„Als der Mensch am Ende der letzten Eiszeit die Landwirtschaft erfand, entstanden größere Gruppen. Der Zwang, vorauszuplanen, brachte „legitimierte Autoritäten“ hervor. Heute ist unsere Welt voll solcher qua Amt oder Funktion befugter Figuren: Staatspräsidenten, Uni-Professoren, Ärzte, Manager.“

Zum einen brauchen wir Menschen also Autoritäten, weil sie uns von jeher „geleitet“ haben, uns vor Schaden bewahrt und ein gutes Leben ermöglicht haben. Zum anderen hat sich mit der Zeit der Status der Autorität bestimmter Gruppen einfach verfestigt. Wer denkt nicht bei einem Arzt an den „Halbgott in Weiß“ und bei einem Uni-Professor, dass es schließlich wissen muss, sonst hätte er den Posten ja nicht inne? Ist eine solch unreflektierte „Heldenverehrung“ heutzutage aber noch nötig oder gar sinnvoll? Gerade wo im Internet auch folgende Definition von Autorität zu finden ist:

„Die allgemein übliche Definition versteht darunter [Autorität] das maßgebende Ansehen einer Persönlichkeit, deren Charakter, persönliche Lebensführung und Leistung über jeden Zweifel erhaben sind und daher allgemein als Vorbild und Beispiel anerkannt werden“ (Zorn 1960, S. 37).“

Sind sie das? Die Personen, denen wir die meiste Entscheidungsgewalt über viele Bereiche unseres Lebens anvertrauen. Sind sie, bzw. ihr Charakter über jeden Zweifel erhaben und ein gutes Beispiel?

In diesem Zusammenhang seien diverse Fehltritte unserer Politiker benannt:

Und dies ist nur ein kleiner Auszug der aktuelleren Verfehlungen. Das wirklich Pikante daran ist, dass heutige Autoritäten sich nicht einmal für ihr Verhalten zu schämen scheinen. Hat man erstmal einen Posten inne, so gibt man ihn so schnell nicht mehr her. Gereichte eine plagiierte Doktorarbeit früher noch dem Verteidigungsminister Guttenberg zum Rücktritt, so ist es mittlerweile offensichtlich „normal“ abzuschreiben. Musste Christian Wulff, der damalige Bundespräsident, noch wegen Vorteilnahme zurücktreten, so machen sich genug Politiker heute die Taschen mit Bestechungsgeldern voll und werden dafür höchstens verwarnt.

Egal wie anrüchig die Verfehlungen sind, man könnte sie eventuell noch verkraften, wüssten sie denn wenigstens von was sie reden und verträten sie tatsächlich die Interessen der Bürger. Aber selbst der Focus hat schon 2018 festgestellt, dass es immer mehr Politiker gibt, die noch nie außerhalb der Politik gearbeitet haben. Sie sind sog. Berufspolitiker und mit dem normalen Leben der Bürger offensichtlich nicht einmal vertraut. Wie können sie also die Sorgen und Nöte der Bevölkerung wahrnehmen und dementsprechend handeln?

So legen wir unser Schicksal also in die Hände von Personen, die zum einen keinen Bezug zum Leben der Bürger haben, die zum anderen oft nicht einmal eine gescheite Ausbildung hatten und dann Posten besetzten, von denen sie keine Ahnung haben? Zu alledem glänzen sie auch noch mit ihren fragwürdigen moralischen Standards.

Interessanter Weise hat die Politik selbst schon 2008 erkannt, dass es eine gewisse Politikverdrossenheit in Deutschland gibt. Um eine Ausarbeitung des wissenschaftlichen Dienstes für den Bundestag zu zitieren:

„Die seit fast zwei Jahrzehnten andauernde Vertrauenskrise in der Bundesrepublik könnte sich nach Meinung einiger Beobachter – insbesondere im Zusammenspiel mit einer möglichen sozial- und ökonomisch sehr kritischen Situation des Gesamtstaates – längerfristig zu einer Gefahr für das demokratische Gemeinwesen in Deutschland entwickeln. Noch ist die Unzufriedenheit mit Politikern und Parteien nicht zu einer allgemeinen Vertrauenskrise der Demokratie und ihrer Institutionen angewachsen, denn die Grundidee der Demokratie erhält in der Bevölkerung regelmäßig eine breite Zustimmung. Vor diesem Hintergrund steht gerade die etablierte Politik in der Bundesrepublik – auf die sich in erster Linie die Verdrossenheit der Menschen bezieht – vor der Aufgabe, eine Vertrauensbasis zu den kritisch eingestellten Bürgern wiederherzustellen.“

Seltsam nur, dass man dabei den Glauben der Bürger an die Demokratie infrage stellt. Und nicht den Glauben an die politischen Akteure. Ein Artikel aus der Zeit von 2020 zeichnet hier schon ein genaueres Bild:

„Erschreckend ist vor allem der große Vertrauensverlust in die Politik und das tiefe Misstrauen sowohl in die Kompetenz als auch in das ethische Verhalten der Politiker. Auch Deutschland schneidet hier schlecht ab. Wir Deutsche nehmen unsere staatlichen Institutionen im Vergleich zu anderen westlichen Ländern zwar als etwas weniger unethisch wahr, allerdings auch als weniger kompetent.“

Was nun unsere Autoritäten angeht, wird im Artikel der Wirtschaftswoche auch noch über die Gefahren der falschen Autoritäten gesprochen. So heißt es hier:

„Ebenso schädlich wie der Autoritätsverlust ist ein Zuviel an autoritärer Härte. (…) Sozialer Stress ist der schlimmste Stress, den es gibt“

sagt Andreas Meyer-Lindenberg. Wer ihm dauerhaft ausgesetzt sei, reagiere mit „chronischen Unterwerfungsreaktionen.“ Kurzum, falsche Autorität macht krank. Schön, dass der Psychoanalytiker Verhaege in diesem Zusammenhang dann noch folgendes zu vermelden weiß:

„Verschwindet der Glaube an die Quelle der Autorität, will sich eine Mehrheit nicht länger unterwerfen, dann stürzt Autorität in sich zusammen.“