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Warum langweilen mich starke Frauen in Filmen und Serien?

Der Topos vom „strong female character“ („starker weiblicher Charakter“) im Hollywoodkino und den Serien des ausgehenden zweiten Jahrzehnts des einundzwanzigsten Jahrhunderts ist fast überall anzutreffen. Weibliche „Journalisten“ und „Kritiker“ üben sozialen Druck auf Produzenten und Schreiberlinge aus, auf sie und ihre Wünsche stärker zuzugehen. Aber was wollen sie? Angeblich wollen sie starke weibliche Charaktere sehen, die ihren Weg gehen.

Schaut man aber genau hin, dann wollen sie Frauen sehen, die nicht nur genauso stark sind wie Männer, auch was körperliche Stärke und Kampfkünste angeht, sondern stärker. So sehen wir immer mehr weibliche Helden, die ohne Probleme Männer verprügeln, die doppelt so groß und breit sind wie sie, Heldinnen, denen Charakter und Charakterentwicklung vollständig abgeht, weil sie vom Start des Films bis zum Finale perfekt sind, keine Ratschläge benötigen, vor allem nicht von Männern („mansplaining“) – und dadurch zu charakter- und gesichtslosen künstlichen Figuren werden, die nicht nur keinerlei Identifikationsmöglichkeiten bieten (außer vielleicht für diejenigen angeblichen „Feministinnen“, die anscheinend solche Karikaturen sehen wollen), sondern auch problemlos durch eine männliche Figur ausgetauscht werden könnten.

Somit leistet diese Art, weibliche Charaktere anzulegen, der Weiblichkeit keinen Dienst, sondern deutet sie in letzter Konsequenz als Schwäche, indem traditionell männliche Eigenschaften als einzige Möglichkeit für Frauen präsentiert werden, „starke Charaktere“ zu sein.

Teile der feministischen Bewegung haben die Idee der Gleichberechtigung, welche den klassischen Feminismus leitete, anscheinend komplett über Bord geworfen, zugunsten der Beförderung eines Kriegs der Geschlechter, vor dem die klassische Feministin Simone de Beauvoir in „das andere Geschlecht“ (1949, dt. 1951) noch eindringlich warnte.

Diese Einstellung färbt auf das Hollywood- Kino ab, welches sich immer mehr als Lieferant politischer Ideen und immer weniger als Traumfabrik versteht.

1978 kam ein Film mit einer weiblichen Heldin heraus, der aus mehreren Gründen ein Meilenstein des Kinos war. Die Rede ist von dem Sciene-Fiction/Horror Streifen „Alien“, in dem die Protagonistin Ripley, gespielt von Sigourney Weaver, gegen ein „unheimliches Wesen aus einer anderen Welt“, so der deutsche Untertitel, kämpfen musste.

Interessant in Bezug auf die Besetzung des Helden mit einer Frau sind hier gleich mehrere Dinge: Zum einen ist in der ersten Hälfte des Films überhaupt nicht klar, dass Ripley die Protagonistin ist. Die Crew des Raumfrachters „Nostromo“, bestehend aus zwei Frauen und mehreren Männern, arbeitet bei der Entschlüsselung eines unbekannten Signals im Weltraum und der Entdeckung eines Raumschiffes von Außerirdischen zusammen. Der Kapitän des Schiffes, Dallas, übernimmt die „männliche“ Führungsrolle, an einer Stelle wird Ripley gar als herzlos dargestellt, weil sie die Crewmitglieder, die ins Raumschiff zurückkehren, in Quarantäne stellen will – wie sich später herausstellt, hätte das für die anderen bedeuten können, dass sie die Gefahr überleben. Erst im letzten Drittel des Films, als die männlichen Charaktere schon dem Alien zum Opfer gefallen sind, muss Ripley alleine den Überlebenskampf antreten.

Zum zweiten ist Ripley eine Frau, die zwar gleichberechtigt neben Männern arbeitet und ihre Arbeitsethik, wie die Quarantänesituation belegt, sehr ernst nimmt, aber andererseits sehr weibliche Reaktionen zeigt. Sie weint, ist verzweifelt, ist dem Androiden Ash körperlich unterlegen und handelt oft eher intuitiv als rational.

Im genauso gelungenen zweiten Teil „Aliens – die Rückkehr“, setzt sich das fort, denn Ripley übernimmt Verantwortung für die Bedrohung durch die Aliens, die nur sie einzuschätzen weiß und in einem der spannensten „Showdowns“ der Filmgeschichte rettet sie wie ein echter männlicher „Badass“ a la Schwarzenegger oder Willis ihr Findelkind Newt vor den Außerirdischen. Auch hier schaffen die Filmemacher es aber, ihr einen genuin weiblichen Antrieb – die Sorge um das kleine Mädchen – zu geben, um sie zu dem actiongeladenen „Stand off“ mit der Alienkönigin zu motivieren.

Zuletzt ist es für den Zuschauer völlig irrelevant, dass Ripley eine Frau ist. Man akzeptiert sie als Charakter, wie sie ist, sie ist glaubwürdig in ihren Motivationen, Ansichten und Handlungen. Beide Filme hätten nicht in dieser Weise funktioniert, wären weniger spannend gewesen, wenn Ripley ein Mann gewesen wäre, aber man kann sich niemanden vorstellen, der sich darüber beschwert, dass Ripley eine Frau ist. Kaum ein Mann wird die Filme weniger spannend finden oder sich weniger mit Ripley identifizieren können, nur weil sie eine Frau ist.

Der dritte und vierte Teil mit Sigourney Weaver verblassen im Vergleich zu den ersten beiden Teilen und die folgenden Alienfilme mit anderen Darstellern sind ein Musterbeispiel schlechten Erzählens (wegen der misslungenen Exposition der Charaktere kann der Zuschauer kaum Empathie mit ihnen aufbauen, ihr Überlebenskampf wird bedeutungslos und die Schockwirkung der Alienangriffe verpuffen zunehmend.

Gerade der Vergleich mit den späteren Teilen der Serie zeigt, wie sorgfältig Ripley als Charakter aufgebaut wird. Als „eine unter vielen“, die ihren Job macht und letztendlich durch ihren unbändigen Überlebenswillen besteht, eine wahrhaft amerikanische Geschichte.

Im zweiten Teil von „Alien“ hatte Ripley als männlichen Unterstützer Corporal Hicks (Michael Bien) an ihrer Seite. In ähnlicher Weise spielte Bien im ersten „Terminator“ Film den männlichen Helden, während Sarah Connor, gespielt von Linda Hamilton, die eigentliche Protagonistin war. Im zweiten „Terminator“ Film wird Connor zur „Kampfmaschine“ aufgebaut, Linda Hamilton unterzog sich als Vorbereitung für den Film einem rigiden Fitnessprogramm. Auch in T2 ist die weibliche Hauptfigur von weiblichen Motiven getrieben, wie der Sorge um ihren Sohn, ohne dabei schwach zu wirken.

 

Nach dem Erfolg von „Conan der Barbar“ (1982), einem brutalen Fantasyfilm, der die „Low Fantasy“ (im Gegensatz zu Tolkiens „High Fantasy“, wo generisch Gute gegen generisch Böse kämpfen ein Genre mit viel mehr grauen Zwischentönen) massentauglich machte, erschien „Red Sonja“ (1985), ein wie Conan auf einem Comic basierender Film, in dem Schwarzeneggers Rolle aus rechtlichen Gründen nicht Conan, sondern Kalidor hieß, ein Film über eine weibliche Barbarin.

So wie Conan seine Motivation erhält, weil seine Familie von dem bösen Zauberer „Tulsa Doom“ und seinen Truppen getötet und er selbst in die Sklaverei verkauft wird, ist Sonjas Vorgeschichte, dass sie von den Soldaten der bösen Zauberin Gedren geschändet wurde. Sie schwört, sich niemals einem Mann hinzugeben, der sie nicht im Kampf besiegt und ihre Kämpfe mit Kalidor entbehren nicht einer gewissen Komik. Wie ein Nebencharakter bemerkt, ist es fraglich, warum sie sich so sehr gegen Kalidor wehrt, wo sie doch eigentlich nichts sehnlicher will, als mit ihm zusammen zu sein. Man kann diesen Film als „80er Trash“ ansehen (die Kritiken waren überwiegend negativ), aber Red Sonja (Brigitte Nielsen) hat nachvollziehbare Motivationen, einen Kodex und sie steht, wie Ripley, ihren Mann. Als Kalidor den Job übernimmt, mit seiner Barbarenkraft ein Tor aufzuhalten, damit Sonja zu Gedren vordringen und sie konfrontieren kann, fängt sie zumindest keine Diskussion darüber an, dass sie das Tor genauso gut halten könnte, sondern erfüllt ihr Schicksal.

Und genau das, was die genannten Filme der 80er und 90er Jahre richtig gemacht haben, machen die neueren Produktionen falsch. Kein Charakter entspricht so sehr dem Klischee der „Mary Sue“, wie Rey aus dem siebten bis neunten „Star Wars“ Teil.

In der Original-Trilogie aus den 80ern gab es mit Prinzessin Leia (Carrie Fisher) einen Charakter, der ähnlich wie Ripley und Connor weiblich, aber trotzdem stark war, sich von den männlichen Helden Luke und Han retten lassen konnte, aber auch wusste, wie man eine Laserpistole abfeuerte, von einem dicken, ekeligen Alien in Ketten gelegt und in einem Bronzebikini vorgeführt wurde, das Ekel aber mit ihren Ketten erwürgte. In der Prequel-Trilogie (Episode 1-3 aus den 2000er Jahren) wurde mit Prinzessin Amidala (Natalie Portman) eine ähnliche Figur bereitgehalten, die ebenfalls Politikerin und Kämpferin war, ohne ihre Weiblichkeit einzubüßen (wobei zuzugeben ist, dass die zweite Trilogie eklatante Schwächen aufwies, auch in Bezug auf die forcierte Liebesgeschichte zwischen Amidala und Anakin). Dagegen hat die dritte Trilogie mit Rey einen Charakter eingeführt, der nicht nur unglaubwürdig und generisch ist, sondern auch jeder Weiblichkeit ermangelt.

Rey kann wirklich alles, vom ersten Moment im siebten Film („The Force awakens“) an, hat sie, die eigentlich eine Art Sklavendasein auf einem Wüstenplaneten führt, unmögliche Fähigkeiten. Sie kann alles reparieren, was aufgrund ihres Hintergrundes noch halbwegs glaubwürdig erscheint, aber sie kann auch ein Raumschiff besser fliegen als der erfahrene

Superpilot Han Solo, verfügt über unglaubliche Kräfte in Bezug auf die „Macht“, eine geheimnisvolle magische Kraft, um die sich die „Star Wars“ Saga dreht. Und zu allem Überfluss besiegt sie einen jahrelang darin geschulten Kämpfer in einem Lichtschwertduell. Ihr Vorgänger Luke musste in der ersten Triologie noch ewig dafür trainieren, das Lichtschwert und den Umgang mit der „Macht“ zu erlernen, sie kann das, einfach so. Der achte Teil („The Last Jedi“), der von vielen Star Wars Fans, selbst von denen, die den siebten Teil noch gut fanden, als Tod der gesamten Serie angesehen wird, geht noch weiter damit, Rey als die absolute „Mary Sue“ aufzubauen. So wird, entgegen aller Erwartungen, enthüllt, dass sie keinerlei Verwandtschaft mit den bekannten Beherrschern der „Macht“ hat, dass ihre Eltern irgendwelche Niemande waren und sie einfach toll ist, weil… ja, warum? Weil sie eine Frau ist.

Im neunten und finalen Teil („The Rise of Skywalker“) wird das dann wiederum umgedreht: Nun soll sie die Enkelin des Imperators Palpatine sein, der am Ende der ersten Triologie getötet wurde, aber nun auf einmal wieder am Leben ist. Trotzdem stellt sie sich am Ende von Teil 9 als „Rey Skywalker“ und nicht als „Rey Palpatine“ vor. Die Macher scheinen damit irgendeine Botschaft verkünden zu wollen, es wird aber nicht ganz klar, welche.

Die neuen Star Wars Filme führen noch weitere „starke“ weibliche Charaktere ein. Nach Aussagen der Filmemacher selbst ging es ihnen überhaupt nicht mehr darum, eine gute Story zu erzählen, sondern darum, politische Aussagen über die Filme zu transportieren: Darüber, dass Frauen die besseren Führungskräfte sind, darüber, dass Frauen nicht von männlichen Helden gerettet werden müssen – und darum, die Erwartungen der Zuschauer zu unterwandern. Ähnliche Aussagen haben auch die Macher der „Marvel“- Filme oder der neuen Star Trek Serien getätigt.

Auch alte Charaktere der Star Wars Serie, wie Carrie Fishers „Leia“, werden in diesem Sinne in einen neuen Kontext gesetzt und entwickeln Kräfte, die sie vorher nicht hatten, die innerhalb der Regeln dieses fiktionalen Universums überhaupt keinen Sinn ergeben und neue weibliche Charaktere wie die Kommandantin mit den lila Haaren, dessen Namen man sich nicht einmal merken kann, weil der Charakter trotz der auffälligen Haarfarbe so farblos ist, werden in Situationen gebracht, in denen sie die männlichen Charaktere dominieren, auch wenn diese die besseren Argumente und Pläne haben.

In der überaus erfolgreichen Fantasyserie „Game of Thrones“ gibt es einen Charakter, der gerade im Verlauf der finalen Staffel der Serie den Topos der „Mary Sue“ fast noch mehr erfüllt als Rey aus der Star Wars Saga.
Die Rede ist von Arya Stark, die als liebenswürdiger Außenseiter eingeführt wird, ein Mädchen, das sich nicht in die Rolle einer mittelalterlichen Burg Dame einfügen will. Sie hat einfach keine Lust auf Stickerei, ist schon zu Beginn der Serie besser im Bogenschießen als ihr nur unwesentlich älterer Bruder und durchläuft im Laufe der Serie in eine Art Ausbildung zum Assassinen. Die Glaubwürdigkeit dieses Plots von Game of Thrones wurde im Laufe der fünften und sechsten Staffel durch absolut irre Wendungen vollständig zerstört und wenn man diversen Internetquellen vertrauen kann, dann wollten die Macher der Serie sie noch viel unglaubwürdiger in Szene setzen und sie, nachdem sie mehrere Messerstiche in den Magen bekommen hatte, nicht nur, wie gezeigt, in dreckiges Wasser fallen, durch die halbe Stadt rennen und am Ende ihre Assassinenkonkurrentin besiegen lassen, sondern diese Jagd dadurch anreichern, dass Arya in einer Weise, die auch für unverwundete Menschen unrealistisch wäre, akrobatische Höchstleistungen vollführt, wogegen angeblich die Schauspielerin der Figur, Maisie Williams, Einspruch einlegte, weil sie das zu Recht als unrealistisch empfand.

In der dritten Folge der letzten Staffel von Game of Thrones ist es Arya, die den „Night King“, den größten Bösewicht der Show, der als beinahe unverwundbar aufgebaut wurde, tötet, indem sie ihn quasi aus dem Nichts in den Rücken springt, obwohl er von seinen Generälen, den „White Walkers“ und einer Armee von Untoten beschützt wird. Die Macher der Serie wollten hier wieder einmal die Erwartungen der Zuschauer „unterwandern“, denn über mehrere Staffeln wurde ein anderer Charakter, Jon Snow (Kit Harrington) als derjenige aufgebaut, der den „Night King“ besiegen wird – aber weder er, noch ein anderer der Hauptcharaktere, die eine Verbindung mit dem „Night King“ haben (z.B. die von Emilia Clarke gespielte Daenerys), nehmen an der abschließenden Konfrontation überhaupt teil. Auch hier waren die Fans der Serie, analog zu den Star Wars Filmen, schlicht enttäuscht, weil es kein „Payoff“ zu dem ganzen „Setup“ gab. Wenn man in einer Geschichte etwas langwierig aufbaut und es dann einfach in den Müll schmeißt, dann ist das keine „Unterwanderung von Erwartungen“ (auf diversen Youtube Kanälen ist das Englische „subverting the expectations“ im Zuge der neuen Star Wars Filme und den letzten Staffeln von Game of Thrones schon zu einer Art Schimpfwort geworden), sondern einfach nur schlechtes Erzählen.

Natürlich kann eine Geschichte durch überraschende Wendungen aufgewertet werden, aber nur, wenn diese einen Sinn ergeben. Wenn einfach etwas passiert, mit dem keiner gerechnet hat, weil realistisch niemand damit rechnen konnte (im Fall von Game of Thrones haben die Macher der Serie öffentlich bekannt, dass sie den beschriebenen „Twist“ quasi spontan erwogen haben, weil es ihnen nicht überraschend genug erschien, dass einer der Charaktere, die als Gegenspieler des „Night King“ aufgebaut wurden, diesen tötet), dann ist das nur Schock um seiner selbst willens und kein gutes Geschichtenerzählen. Das Geniale an alten Krimis (z.B. Hitchcock) ist doch nicht, dass keiner damit gerechnet hat, dass ausgerechnet der Gärtner (oder wer auch immer) der Täter war, sondern dass der Autor das aufgebaut hat, aber den Leser/Zuschauer bewusst auf falsche Fährten geleitet hat. Game of Thrones ist (in den ersten Staffeln, die sich noch am Quellmaterial des Autors Martin bedienen konnten), voll von unerwarteten Wendungen, die aber alle sorgsam vorbereitet werden (engl. „foreshadowing“) und bei einem erneuten Schauen kann der Zuschauer die Schritte, die zu der unerwarteten Wendung führten, nachvollziehen und anerkennen, dass er damit nicht gerechnet hat, obwohl es ihm beim erneuten Schauen logisch erscheint, dass es so gekommen ist (vgl. noch einmal Hitchcock oder Klassiker wie „Zeugin der Anklage“ mit diversen unerwarteten Wendungen in der Handlung, die aber alle in der Geschichte angelegt sind).

Geht es hier also nur um schlechtes Schreiben? Nein, denn eines haben Star Wars, Game of Thrones und so viele andere Filme und Serien unserer Zeit gemeinsam: Es geht den Autoren und Filmemachern offensichtlich nicht mehr darum, eine Geschichte mit unerwarteten, aber sorgfältig geplanten Wendungen und Schockmomenten zu erzählen, die unterhält, indem sie die Intelligenz des Lesers oder Zuschauers herausfordert, sondern nur darum, billige Effekte zu erzeugen, indem das passiert, womit niemand rechnen konnte. Es ist kein Zufall, dass die Dinge, mit denen niemand rechnen konnte, regelmäßig gegen alle vernünftigen Erwartungen und entgegen der inneren Logik der Erzählungen von „starken weiblichen Charakteren“ durchgeführt werden. Denn das ist die eigentliche Botschaft hinter diesen Produktionen, die keine Geschichte mehr erzählen, sondern eine politische Ideologie verbreiten wollen. Wie der Begriff „subverting the expectations“ ist der Begriff „girl power“ im englischsprachigen Internet zu einem Schimpfwort geworden. Die Macher der Filme und Serien antworten auf die berechtigte Kritik dieser unglaubwürdigen Erzählstrukturen damit, dass sie ihre Fans beleidigen. „Toxic Fandom“, übersetzt in etwa vergiftete Zuschauergemeinde ist analog zur „toxic masculinity“ („männlich sein“ als Krankheit) zu einem Kampfbegriff der „SWJs“ (Social Justice Warriors, in etwa Kämpfer für soziale Gerechtigkeit) geworden.

Fans von Film- und Fernsehserien, die sich bloß logisches und kohärentes Erzählen wünschen, werden als „Hasser“ und weitaus schlimmeres bezeichnet, weil sie die Masche der Macher durchschauen, gutes Erzählen auf dem Altar der politischen Korrektheit zu opfern. Dabei hat kaum jemand dieser Leute ein Problem mit „starken Frauen“ in Erzählungen oder im Film. Niemand hatte ein Problem mit Ripley, Sarah Connor oder Red Sonja, jedenfalls nicht, weil diese Charaktere weiblich waren.

Aber Charaktere wie Rey und Arya, die aus unerklärlichen Gründen Superkräfte entwickeln, für die ihre männlichen Kollegen jahrelang trainieren müssen, Charaktere wie Hermine von Harry Potter oder Alice aus den Burton Filmen, die offensichtlich keine Figuren sind, sondern feministische Wunscherfüllungsphantasien und zuletzt Figuren wie Wonder Women oder Captain Marvel, die nicht einmal als „Charaktere“ bezeichnet werden können, weil sie keinerlei Charakter haben, sondern einfach nur Superman in weiblich sind (Superman ist der langweiligste aller Comichelden, weil er zu mächtig ist), können nicht als Identifikationsfiguren fungieren. Niemand, ob Frau oder Mann, kann sich mit jemandem identifizieren, der keine Schwächen hat, keine charakterliche Entwicklung durchmacht, nicht aus seinen Fehlern lernen muss.

Das Fantastische an Geschichten ist, dass man als Leser eines Buches oder Zuschauer einer Filmproduktion in die Haut der Charaktere eintauchen, ihre Leiden miterleben, ihre Entwicklung mitmachen und deswegen letztendlich nachvollziehen und genießen kann, wie sie die Steine, welche der Autor seinen Figuren in den Weg legt, beiseite räumen und ihr Ziel erreichen – oder im Fall der Tragödie eben daran scheitern. Das hat den kathartischen Effekt, von dem schon Aristoteles spricht, für den das griechische Drama, die klassische Tragödie, noch einen religiösen Aspekt besaß. Heute, wo wir die Spiritualität zum großen Teil verloren haben, sind die Bücher, die wir lesen und die Filme, die wir schauen, zu einer Art neuer Spiritualität angewachsen. Wir wollen nicht nur unterhalten werden, wir wollen, dass die Geschichten, die wir verfolgen, eine Bedeutung haben, uns etwas über unser eigenes Leben sagen.
Kaum eine andere Produktion enttäuscht dabei so sehr wie „Game of Thrones“, das so bedeutungsschwanger, so anders als alles vorher begann und zum Ende hin zu einer Geschichte wurde, die vielleicht schockiert, weil die Autoren ihr Publikum schockieren wollten, aber nicht wie ein Hitchcock- Thriller befriedigen kann, da niemand damit rechnen konnte, dass der Gärtner der Mörder war, weil es niemals in der Geschichte angelegt wurde, sondern nur „Erwartungen unterlaufen“ werden sollten. Ähnliches gilt für die neuen Star Wars Filme und weitere Produktionen, von denen einige hier erwähnt, viele aufgrund der gebotenen Kürze aber ausgespart wurden.

Die gelieferten Beispiele aus der Filmwelt zeigen, dass Filmemachen heute mehr denn je ein politisches Geschäft war und auch ist. So wie der Topos des „starken weiblichen Charakters“ in den Vordergrund gedrängt wird, stirbt der männliche Held aus. Wen soll er noch retten? Die klassische „Damsel in Distress“ (Jungfrau in Nöten) mag wie ein überholter Topos erscheinen, aber was bleibt dem männlichen Helden, wenn er die Jungfrau nicht mehr aus der Not retten kann? In Conan kämpfte seine Gefährtin Valeria (ein weiterer starker Frauencharakter aus einem Film der 80er Jahre, gespielt von Sandahl Bergman, die auch Königin Gedren in Red Sonja spielte) noch an seiner Seite. Sie kehrte gar, wie sie zuvor angekündigt hatte, aus der Hölle zurück, um ihm in seinem finalen Kampf beizustehen.

Was bleibt von der Männlichkeit, wenn die Frauen sich selbst aus dem Gefängnis befreien, besser kämpfen können als Männer und Armeen besser befehligen?

Die gelieferte Analyse lässt folgenden Schluss zu: Es ist überhaupt nicht die Männlichkeit, die in Gefahr ist, es ist die Weiblichkeit, die auf dem Altar des Feminismus geopfert wurde. Weiblichkeit, weibliche Eigenschaften und Vorzüge sind es, die von Teilen des neuen Feminismus schlecht geredet, ja schier verachtet werden.

Das Argument, man müsse sich solche Filme und Serien nicht ansehen, wenn man sie nicht mag, verfängt aus diversen Gründen nicht: Zum einen sind es gerade die gealterten Erzählungen, mit denen die heute Erwachsenen nostalgische Gefühle verknüpfen, wie Star Wars und Terminator, die auf diese Weise politisiert werden. Zudem ist es wirklich schwer, aktuelle Filme und Serien zu finden, die keine verkrampfte politische Botschaft beinhalten.

Es ist eine Fehleinschätzung, dass Hollywood (und zunehmend Streamingdienste wie Amazon und Netflix) bloß Unterhaltung produziere. Die der politischen Einstellung der meisten Menschen zugrunde liegenden Werte und Ideale werden viel mehr durch Theateraufführungen, Filme, Serien, Romane und Computerspiele beeinflusst, als durch Parteiprogramme, Reden im Bundestag oder Debatten in Talkshows.

Die Kultur liefert der Politik den Rahmen, in dem sie sich bewegen kann. Deswegen wird der politische Kampf spätestens seit Ende der 60er Jahre auch und immer mehr im kulturellen Raum ausgetragen.